Wissenszirkulation in der Pflege
Kennt sich da noch Eine*r aus? Was heißt Pflege schafft Wissen, und was Wissenschaft Pflege? Aus jeder praktischen Erfahrung, die wir machen – am Krankenbett zum Beispiel, generieren wir Wissen. Wissen, was die Patientin braucht, Wissen zu dem, was sie nicht mag, ob die Positionierung des Beines schmerzlindernd war, wie die Wundauflage gewirkt hat usw. Vice verse haben wir jede Menge an Wissen aus diversen Untersuchungen zur Verfügung. Pflegewissenschaftliche und andere Untersuchungen – medizinische, psychologische, soziologische … – bieten uns zum Teil sehr breites und detailliertes Wissen. Beispielsweise wie die Wunde der Patientin gereinigt werden soll, wie das möglichst schmerzfrei passiert, welche Art von Wundauflage wir wie lange belassen sollen etc. Vieles wissen wir jedoch noch nicht 😊, darum ist auch der Fortgang der Pflegewissenschaft national wie international bedeutsam! Wichtig ist, dass die Erkenntnisse aus diesen wissenschaftlichen Untersuchungen in die Praxis kommen und das aus der Praxis generierte Wissen in die Wissenschaft.
Es handelt sich also um einen Kreislauf, wir sprechen von „Wissenszirkulation“ – höchst spannend! Das heißt zusammengefasst wie das Bild 1 zeigt: Keine Wissenschaft/Theorie ohne Praxis und keine Praxis ohne Theorie/Wissenschaft!
Wofür braucht es „Pflegewissenschaftler*innen?
Aber ist Pflegewissenschaft erstrebenswert? Braucht es Pflegewissenschaftler*innen? Braucht es diese in Tirol, gar in Reutte? Und wie es diese braucht! Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen. Vieles ist Ihnen bekannt – wir werden zunehmend und „in der Masse“ älter und obwohl wir insgesamt mehr Jahre in Gesundheit genießen können, werden wir dennoch „kränker“. Wir sprechen von Multimorbidität – in hohem Alter leiden wir in der Regel an mehreren Krankheiten, auch mehr und mehr an psychischen und psychiatrischen Störungen. So weist lt. der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (2017) schon jede/jeder fünfte über 75-jährige Patientin bzw. Patient an internen Spitalsabteilungen die Diagnose einer Demenzerkrankung auf.
In Pflegeheimen betrifft das sogar zwischen 39 und 87 %. Das führt zu umfassenden Pflegebedarfen, auch Pflegebedürftigkeit der älteren Generation. Hinzukommt, dass immer mehr Frauen über ausgezeichnete Bildungsabschlüsse verfügen, erfolgreich im Berufsleben stehen und tendenziell immer mobiler werden. Eine Konsequenz ist, dass die intergenerationale Hilfe – jung hilft alt – drastisch abnimmt. Daher werden dringend umfassende Lösungsansätze erwartet. Es braucht neue Versorgungsmodelle, alternative Wohnformen für ältere Personen und es braucht ausreichend qualifiziertes Personal, die Babyboomer sind nun am Weg in die Pension. Das ist lediglich ein kleiner Ausschnitt aus der viel größeren Welt der Pflegewissenschaft.
Claudia bei ihrer zweiten Masterverleihung.
Während der Graduierungsfeier sprechen die Absolvent innen und Absolventen ihr Gelöbnis.
Das „Handwerk“ erlernen.
Der erste Schritt in der akademischen Laufbahn ist das Bakkalaureat – was für ein Wort?! Sie lernen das „Handwerk“ der Pflege, zu der international betrachtet schon lange auch die Pflegewissenschaft gehört. Es geht nicht nur darum, den Verbandswechsel an sich durchführen zu können, sondern diesen „evidenz-basiert“ durchzuführen. Also auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu handeln, das Handeln wissensbasiert untermauern zu können. Mit Ihrer Abschlussarbeit, der Bachelorarbeit, werden Sie erstmals selbst wissenschaftlich arbeiten. Das erfordert Interesse und Offenheit, die Kunst Fragen zu stellen, kritisch zu sein, aber auch Know-how und vor allem Sorgfalt. Gerne fördern wir Sie darin. Am Ende Ihrer Ausbildung geloben Sie, Ihr Wissen ständig zu vertiefen, Ihre Fähigkeiten zu entwickeln und dabei die Ziele der Wissenschaft zu achten. Machen Sie sich auf, auf eine spannende Reise, die – wenn Sie wollen – nie zu Ende ist. Ihre Möglichkeiten sind beinahe grenzenlos – Sie können sich spezialisieren in einem der Fachbereiche Kinder- und Jugendlichenpflege, Anästhesie-, Intensivpflege, Pflege im Operationsbereich, Krankenhaushygiene und noch in vielen anderen mehr. Entscheidend ist, dass Ihr Wissen bei den Patientinnen und Patienten ankommt. Lernen, sich Wissen anzueignen ist dabei niemals Selbstzweck!
Lernen, sich Wissen anzueignen ist dabei niemals Selbstzweck!
Über die Autorin
Univ. Ass. Dr. phil. Claudia Leoni-Scheiber, MScN., MSc.
Lehre und Forschung am Campus Gesundheit Reutte